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1. Welche Rolle spielen Gleichstellungsbeauftragte konkret im Schutz vor Diskriminierung und im Aufbau demokratischer Strukturen auf kommunaler Ebene?
Gleichstellungsbeauftragte machen strukturelle Diskriminierung sichtbar, setzen sich für Chancengleichheit ein und ermöglichen gleichberechtigte Teilhabe. Durch Beratung, Sensibilisierung und Netzwerkarbeit stärken sie demokratische Prozesse auf lokaler Ebene – auch dort, wo rechte Ideologien an Einfluss gewinnen. Sie sind oft erste Anlaufstelle für Betroffene von Diskriminierung und häuslicher oder sexualisierter Gewalt.

2. Welche konkreten Argumente führt das sächsische Innenministerium für die Abschaffung der Pflicht zu Gleichstellungsbeauftragten an – außer dem Verweis auf „Bürokratieabbau“?
Bislang ist vor allem der angebliche „Bürokratieabbau“ das Hauptargument. Weitere tragfähige, faktenbasierte Argumente wurden nicht öffentlich vorgelegt. Es bleibt unklar, wie durch den Wegfall dieser gesetzlich verankerten Positionen tatsächlich relevante Verwaltungsvereinfachungen erzielt werden sollen.

3. Wie passt der Vorschlag zur Streichung der Pflicht mit dem Verfassungsauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 GG zusammen?
Gar nicht. Artikel 3 Absatz 2 GG verpflichtet den Staat ausdrücklich, die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen, Männern, alle Menschen zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen. Eine Streichung der Pflicht schwächt diesen Auftrag massiv und steht im Widerspruch zu unserer Verfassung.

4. Wie will Sachsen ohne Gleichstellungsbeauftragte den gesetzlichen Gleichstellungsauftrag erfüllen?
Das ist offen. Ohne verlässliche, institutionalisierte Strukturen vor Ort wird Gleichstellung zur Glückssache und abhängig von kommunaler Haushaltslage und/oder politischer Willkür. Eine Umsetzung des Verfassungsauftrags wäre ohne Gleichstellungsbeauftragte kaum möglich.

5. Welche Signalwirkung hat der sächsische Vorschlag mit Blick auf andere Bundesländer?
Er sendet ein fatales Signal: Gleichstellung ist verhandelbar. Wenn Sachsen Gleichstellungsarbeit zur freiwilligen Aufgabe erklärt, könnten andere Länder folgen – und damit bundesweit mühsam errungene Fortschritte gefährdet werden.

6. Inwiefern schwächt die Abschaffung kommunaler Gleichstellungsbeauftragter demokratische Teilhabe und Sichtbarkeit marginalisierter Gruppen?
Ohne diese Positionen fehlen zentrale Ansprechpartnerinnen, die sich gezielt für Benachteiligte einsetzen. Partizipation, Sichtbarkeit und Schutz vor Diskriminierung gehen verloren – insbesondere für Frauen, queere Menschen, Migrant*innen oder Menschen mit Behinderung. Besonders in ländlichen Bereichen wird sich dies schmerzhaft auswirken.

7. Inwiefern ist es gefährlich, Gleichstellung als „freiwillige Aufgabe” zu behandeln?
Freiwilligkeit bedeutet Beliebigkeit, denn dann fehlt die strukturelle Verankerung. Gerade in klammen oder sehr konservativ geführten Kommunen würde Gleichstellungsarbeit als erstes gekürzt. Das untergräbt systematisch die Gleichberechtigung und schwächt gesellschaftliche Teilhabe.

8. Was würde die Umsetzung des Vorschlags für die derzeit amtierenden Gleichstellungsbeauftragten in Sachsen bedeuten?
Ihre Arbeit wäre akut gefährdet. Ohne rechtliche Verpflichtung zur Bestellung könnten Stellen gestrichen werden. Die Kontinuität und Qualität der Gleichstellungsarbeit würde massiv leiden – für die gesamte Bevölkerung.

9. Wie viele Gleichstellungsstellen wären von einer Abschaffung betroffen?
Aktuell gibt es in Sachsen 41 hauptamtliche kommunale Gleichstellungsbeauftragte. Bei Umsetzung des Vorschlags wären diese Stellen nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben und damit in ihrer Existenz gefährdet.

10. Inwiefern verstößt Sachsen mit dem Vorschlag gegen internationale Übereinkommen wie CEDAW oder die Istanbul-Konvention?
Beide Übereinkommen fordern explizit staatliche Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Der Abbau von Gleichstellungsstrukturen widerspricht diesen Verpflichtungen klar.

11. Welche Verantwortung hat Deutschland gegenüber internationalen Gleichstellungszielen – auch auf kommunaler Ebene?
Deutschland hat sich völkerrechtlich verpflichtet, Gleichstellung umfassend umzusetzen – auf allen Ebenen, auch kommunal. Eine funktionierende Gleichstellungspolitik braucht daher flächendeckende Strukturen und darf nicht auf Landes- oder Gemeindeebene ausgehöhlt werden.

12. Welche gesellschaftlichen Kräfte profitieren davon, wenn kommunale Gleichstellungsstrukturen geschwächt werden?
Rechtspopulistische und antifeministische Kräfte, die Gleichstellungspolitik gezielt diskreditieren wollen. Auch konservative Gruppen, die sich gegen Vielfalt und Inklusion stellen, profitieren davon, wenn emanzipatorische Strukturen geschwächt werden.

13. Was müsste stattdessen geschehen, um Gleichstellungsarbeit wirksam zu stärken – gerade in Regionen mit rechter Dominanz?
Notwendig ist eine gesetzliche Sicherung und personelle wie finanzielle Stärkung kommunaler Gleichstellungsstellen. Zudem braucht es klare politische Rückendeckung, kontinuierliche Weiterbildung und überregionale Vernetzung, um die Arbeit vor Ort resilient und zukunftsfähig zu gestalten.

14. Wie kann die Zivilgesellschaft auf diesen Vorschlag reagieren?
Durch öffentlichen Protest, Vernetzung und politische Einmischung: Stellungnahmen, Petitionen, Bündnisse und direkte Ansprache politischer Entscheidungsträger*innen sind zentrale Mittel – mit denen auch wir als LAG der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Sachsens arbeiten. Gleichstellung darf nicht im Windschatten populistischer Sparpolitik geopfert werden!